Der Tote Winkel an Lastwagen ist für Radfahrer noch immer eine große Gefahr. Verbesserte Spiegel- und Kamerasysteme haben den für den Lkw-Fahrer nicht einsehbaren Bereich zwar verkleinert, konnten ihn aber noch nicht völlig beseitigen. Deshalb gilt für Radfahrer: an Kreuzungen von einem Lkw Abstand halten, ihn gut beobachten und damit rechnen, dass er nach rechts abbiegt.
Eigentlich ist es eine ganz normale Situation: Ein Lastwagen hält an einer Kreuzung und will nach rechts abbiegen. Für den nachfolgenden Radfahrer ist alles klar: Die Lücke zwischen Bürgersteig und Lastwagen oder gar eine Radspur lädt dazu ein, rechts vorbei bis nach vorn zu fahren und mit dem Brummi zu warten, bis die Straße frei ist.
Was der Radfahrer meist nicht weiß: Der Lkw-Fahrer kann ihn oft nicht kann, zumindest nicht, wenn der Radfahrer im „Toten Winkel“ wartet – in dem Bereich, den der Brummi-Fahrer nicht oder nur sehr schwer einsehen kann. Fährt der Lkw nun los und biegt nach rechts ab, ist ein schwerer Unfall die Folge. Nach einer Hochrechnung der Bundesanstalt für Straßenwesen für das Jahr 2012 kamen so 22 Menschen ums Leben, weitere 70 wurden schwer verletzt. Kinder sind ebenso betroffen wie Erwachsene.
Was kann man dagegen tun? DEKRA Unfallforscher Walter Niewöhner: „Eltern sollten ihren Kindern einschärfen, an Kreuzungen zu Lastwagen Abstand zu halten, und das auch selbst beachten. Manchmal lässt sich ein Halt neben dem Lkw nicht vermeiden, zum Beispiel auf dem Radweg. Dann heißt es, den Brummi im Auge behalten und wenn möglich Blickkontakt mit dem Fahrer aufnehmen“, sagt Niewöhner. Deutet sich an, dass der Lkw ausholt, um abzubiegen, ist das ein Warnsignal. Deshalb: Als Radfahrer nicht auf der Vorfahrt bestehen und lieber warten, bis der Lkw weg ist. „Ein Lkw-Vorderreifen hat eine Radlast von rund drei Tonnen. Die Folgen eines Unfalls möchte man sich nicht ausmalen.“
Für Lkw sind seit 2009 verbesserte Spiegel vorgeschrieben, die den Toten Winkel weiter reduzieren. Dennoch ist es für den Fahrer oft schwierig, komplexe Situationen zu überblicken. Der Unfallforscher empfiehlt den Lkw-Fahrern, schon beim Heranfahren an die Kreuzung zu beobachten, ob ein Radfahrer auf der rechten Seite heranfährt. Damit der Tote Winkel möglichst klein ausfällt, müssen die Spiegel außerdem richtig eingestellt sein. Deshalb sollten sich die Fahrer mit dem Spiegelsystem ihres Fahrzeuges vertraut machen. Eine Hilfestellung bietet eine Anleitung, die von der DEKRA Unfallforschung zusammen mit den Lkw-Herstellern Daimler und MAN entwickelt wurde. Passend dazu besteht auch das Angebot, mit geringem Aufwand entsprechende Spiegeleinstellplätze einrichten zu lassen – etwa auf großen Parkplätzen oder den Betriebshöfen von Speditionen.
Auch die moderne Technik kann einen Beitrag zu mehr Sicherheit leisten. Lkw, so der Unfallforscher, sollten rasch radar- und kameragestützte Assistenzsysteme erhalten, welche die kritischen Bereiche rund um das Fahrzeug erfassen und den Fahrer warnen, wenn sich dort Zweiradfahrer oder Fußgänger aufhalten.
Ein wichtiger Punkt ist auch die Aufklärung. „Erfahrungen aus den Niederlanden zeigen, dass die Zahlen solcher Unfälle stark zurückgehen, wenn die Menschen wissen, wann es gefährlich wird“, sagt Niewöhner. Deshalb führen die DEKRA Niederlassungen immer wieder an Schulen Aktionen durch, in denen Schüler die Gefahren des Toten Winkels in eigener Erfahrung kennenlernen können. Dabei können sie sich selbst ans Lenkrad eines schweren Lkw setzen und spielerisch erleben, wie ihre Klassenkameraden neben dem Fahrzeug plötzlich im Toten Winkel verschwinden.
(DEKRA)